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Tiefe Sonde - hohe Effizienz

Ein Monitoring bringt es ans Licht: Dezentrale Energiesysteme sind effizient, aber TABS und aktive Heizkreisverteilung harmonieren nicht.

 

An der Sentmattstrasse im zürcherischen Obfelden wurden 2017 drei neue Mehrfamilienhäuser mit 119 Mietwohnungen und einer Energiebezugsfläche von 12'900 m2 und einem berechneten Heizwärmebedarf von 100 MJ/m2 (SIA 380/1:2009) erstellt. Die Überbauung Sentmatt verfügt über ein Gebäudeenergiesystem, das im Betrieb kein CO2 ausstösst. An dieses emissionsfreie Energiesystem wurde auch ein 1973 erstelltes Mehrfamilienhaus mit 22 Wohneinheiten angeschlossen.

 

Der vollständige Artikel ist im EnergiePraxis-Bulletin der Energiefachstellen der Ostschweizer Kantone und des Fürstentums Liechtenstein im Oktober 2021 erschienen.
Download: ARTIKEL (PDF)

Autorin: Marion Willim, Allianz 2SOL

 

Pilotprojekt "Emissionsfreie Wärmeerzeugung mit tiefer Erdwärmesonde, effizienter Niederhub-Wärmepumpe und optimierter Wärmeverteilung"

Im Rahmen eines vom Kanton Zürich (AWEL) und dem Bundesamt für Energie finanziell unterstützten Pilotprojekts werden 10 Wohnungen von zwei dezentralen Anlagen beheizt und gekühlt. Die dezentralen Anlagen bestehen je aus einer Niederhub-Wärmepumpe, einer neuartigen, tiefen Koaxial-Erdwärmesonde und einer Kombi-Solaranlage (Solarhybridkollektor-Feld sowie ein Feld mit unabgedeckten selektiven Solarkollektoren). Sie heizen und kühlen jeweils fünf neue Wohneinheiten. Zudem verfügen die 10 Wohnungen des Pilotprojekts auch über eine neuartige Wärmeverteilung mittels thermoaktiven Bauteilsystemen (TABS).

Die Gebäudehülle der Überbauung Sentmatt wurde nach den gesetzlichen Vorgaben erstellt, der Fokus lag auf einem effizienten, umweltfreundlichen Gebäudeenergiesystem. Abbildung 1 visualisiert die wichtigsten Komponenten und Technologien des Projekts. Es wurden sowohl PVT-Kollektoren (1) als auch unabgedeckte Solarkollektoren installiert, um die Leistungswerte der beiden Felder miteinander vergleichen zu können. Zwei Koaxial-Erdwärmesonden (2) mit einer Länge von 400 und 450 Metern kommen hier erstmals zum Einsatz. In die Niederhub-Wärmepumpe (3) sind die Systemsteuerung (5) und ein Umschaltventil integriert, welches bedarfsgerecht vom Heiz- in den Kühlbetrieb wechselt. Zusätzlich zu den TABS verfügen die Anlagen des Pilotprojekts über eine aktive Heizkreisverteilung.

 

Abbildung 1:  Die wichtigsten Komponenten des Pilotprojekts im Überblick

 

Monitoring zeigt auf: Das Konzept funktioniert, aber es gibt Optimierungspotenzial
Um Aussagen über die Effizienz der dezentralen Anlagen machen zu können, wurden zahlreiche Messgeräte eingebaut. Die Auswertung der Daten erfolgt durch das SPF Institut für Solartechnik der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil SG. Die Systemkomponenten der beiden Anlagen des Pilotprojekts sowie das Monitoring wurden Ende 2019 in Betrieb genommen. Die Auswertung der ersten zehn Monate im Heiz- und Kühlbetrieb zeigt, dass das Konzept funktioniert und die Kombination von Niederhub-Wärmepumpe und tiefer Koaxial-Erdwärmesonde effizient ist. Es wurden jedoch auch Optimierungspotenzial aufgedeckt und Erkenntnisse gewonnen, die in künftige Projekte einfliessen werden.

Effizienz der Wärmeerzeugung
In den Häusern A und B wurden baugleiche Niederhub-Wärmepumpen installiert. Das Monitoring weist für die Wärmepumpe im Haus A deutlich bessere Werte aus als für jene im Haus B (vgl. Abbildung 2). Mit einem COP von >10 für den Heizmodus und >3,5 für den Brauchwarmwassermodus kann die Effizienz der Anlage A als sehr hoch eingestuft werden. Für die tieferen Werte der Anlage B war unter anderem ein defektes Expansionsventil verantwortlich. Die Datenpunkte von Haus B in Abbildung 2 beziehen sich auf die Werte, die mit dem defekten Ventil erzielt wurden.  

 

 Abbildung 2: COP von Brauchwarmwasser (blau) und Heizung (rot) der Niederhub-Wärmepumpen A und B

Hier zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, dass selbst kleinere Anlagen mithilfe eines Monitorings überwacht und im Betrieb optimiert werden. Sonst ist die Gefahr gross, dass Funktionsfehler unbemerkt bleiben. Selbst nach Austausch des Expansionsventils erzielte die Wärmepumpe B tiefere COPs, was hauptsächlich - und wie zu erwarten war - an den tieferen Quellentemperaturen liegt, welche die um 50 Meter kürzere Erdwärmesonde B bereitstellt.

Im Heizmodus (orange Punkte) wirken sich die höheren Quellentemperaturen stärker auf den COP aus als im Brauchwarmwasser-Modus (blaue Punkte) mit seiner deutlich höheren Nutztemperatur. Wie gross der Einfluss der Erdreich-Regeneration und der damit einhergehenden Erhöhung der Quellentemperatur auf die Jahresbilanz sein wird, ist Untersuchungsgegenstand der nächsten Jahre.

Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Wärmepumpen zwar nach Norm korrekt dimensioniert wurden, jedoch im realen Betrieb nicht das volle Potenzial nutzen können, da die benötigte Heizleistung der Wohnungen meistens deutlich tiefer ist als die minimale Leistung der Wärmepumpen. Dies sieht man in Abbildung 3, in welcher der Leistungsbedarf in Abhängigkeit zur mittleren Tagesaussentemperatur für Haus A aufgeführt ist. Dabei wird ersichtlich, dass während der meisten Betriebsstunden die Wärmepumpe auf der tiefsten Leistungsstufe (7 kW) und damit häufig im On-/Off-Betrieb läuft, was ungünstig für die Effizienz und die Lebensdauer ist. Dieses Problem ist weit verbreitet und wird aktuell in dem Forschungsprojekt "OptiPower" des Bundesamts für Energie durch das Institut für Solartechnik SPF genauer untersucht.  

 

Abbildung 3: Mittelwerte der Wärmeleistung der Anlage des Hauses A

 

Integrierte Raumkühlung sorgt für Komfort und unterstützt die Regeneration des Erdreichs
Die thermische Energie, die zur saisonalen Regeneration des die Sonden umgebenden Erdreichs genutzt wird, stammt beim Pilotprojekt aus mehreren Quellen, wie Abbildung 4 zeigt: von den Hybridkollektoren (Regeneration PVT, gelb), den unabgedeckten selektiven Kollektoren (Thermie, rot) sowie aus den Wohnungen (blau). Kaltes Wasser, das über die Leitungen der TABS zu den Wohnbereichen geleitet wird, nimmt dort Wärme auf und transportiert diese aus den Räumen. Bei der aktiven Kühlung, wie sie in der Sentmatt stattfindet, wird das erwärmte Wasser zuerst über Wärmetauscher in der Wärmepumpe geführt, bevor es in die Erdwärmesonden gelangt.

 

Abbildung 4: Monatsbilanz der thermischen Erdreichregeneration für Haus A, inkl. Anteil der verschiedenen Regenerationsquellen

 

Kombination von TABS und aktiver Heizkreisverteilung: Risikobehaftet und nicht sehr wirkungsvoll
In den Wohnungen der Überbauung Sentmatt wurden keine Bodenheizung, sondern TABS eingebaut. Bei den 10 Wohnungen des Pilotprojekts wurde zusätzlich eine aktive Heizkreisverteilung (aHKV) installiert. Bei der aHKV kommen im Heizkreisverteiler keine Regelventile zum Einsatz, sondern kleine Pumpen mit einer geringen Leistungsaufnahme, welche die einzelnen Heizkreise mit den benötigten Volumenströmen versorgen. Eine Hauptpumpe im Technikraum überbrückt den Druckverlust bis zu den Heizkreisverteilern.

Obwohl sich die Auswertung der aHKV als schwierig erwiesen hat, konnten wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. So scheint der Einsatz einer aHKV in Kombination mit TABS kritisch zu sein. Denn der damit erzielbare Nutzen ist eher gering und das Risiko möglicher Fehler aufgrund der Komplexität für die Installation hoch. Zudem ist eine Einzelraumregelung in Kombination mit einem trägen System wie den TABS, bei dem sich einzelne Heizkreise über mehrere Zonen erstrecken und sich die benachbarten Wohnungen stark beeinflussen, nicht sinnvoll.

 

Weitere Informationen über das 2SOL-Projekt Sentmatt